Schlange stehen

Seit Mai gibt es auch in Zürich eine Gelateria die Berna. Am Brupbacherplatz, in Sichtweite zum Lochergut. Seither stehen Glaceliebhaber dort an schönen Abenden Schlange. Bis auf die Strasse. Und das, obwohl der Platz nicht gerade klein ist.

Quelle: flickr.com // Abi Porter // CC BY 2.0

Diese lange Schlange hat mich bisher davon abgehalten, dort Glace essen zu gehen. Doch eines Abends wage ich es. Es ist eher bewölkt und nicht übermässig warm. Dementsprechend stehen die Chancen gut, dass ich nicht allzu lange warten muss.
Während ich anstehe, überlege ich mir, dass es eigentlich gut wäre, wenn die Betreiber der Gelateria eine Webcam installieren würden. Dann könnte ich schon von zu Hause aus abschätzen, wie lange ich etwa anstehen müsste. Allerdings würde das Datenschützer auf den Plan rufen und vermutlich auch die Glaceliebhaber betrüben. Beispielsweise solche, die offiziell gerade auf Diät sind und ihre Glace deswegen heimlich essen müssen. Oder die Mitarbeiter, die sich von einem Arbeitsapéro davongestohlen haben, um sich ihre Lieblingsglace zu genehmigen. Klar könnte man die Aufnahmen stark verpixeln oder die Webcam so installieren, dass Gesichter nicht mehr klar erkennbar sind. Aber das würde vermutlich wenig helfen. Kameras im öffentlichen Raum sind nun mal ein heikles Thema.

Jemand tippt mir auf die Schulter. Vor mir ist eine Lücke entstanden und ich habe nicht bemerkt, dass ich aufschliessen müsste.

Ich grüble weiter: Wie wäre es mit Gewichtssensoren, die die Bodenbelastung des Platzes messen? Dafür müsste man den Platz aufreissen und danach die Fläche kennzeichnen, auf der die Kunden sich anstellen müssten. Die Betreiber der Gelateria dürften wohl schon bei der Baubewilligung scheitern. Zumal die Gelateria mitten in einem Wohnquartier steht.

Ein Hund läuft schnüffelt an meinem Bein. Er ist wohl der Einzige hier weit und breit, der sich mehr für die Schlange als für Glace interessiert.

Vielleicht könnten die Glacemeister einen Mitarbeiter anstellen, der die Kunden in der Schlange zählt. Ihn könnte man anrufen und fragen, wies aussieht. Fragt sich nur, ob man jemanden findet, der diesen Job übernehmen will.

Ok. Ich hab’s. Ein Ticketsystem, wie man es von der Post her kennt. Damit könnte man direkt die Wartezeit abschätzen. Allerdings würde die Elektronik nasses Wetter nicht so gut vertragen und von zu Hause aus geht das auch nicht. Ich kann wieder ein paar Meter aufrücken und bin schon fast in der Gelateria! Eigentlich sollte ich nun schon mal die Glacekarte studieren, damit ich nachher schneller bestellen kann.

Stattdessen grüble ich weiter. Die Betreiber könnten einen wasserfesten Buzzer installieren, den jeder drücken müsste, wenn er kommt und sobald er geht, müsste er … „Was möchten Sie?“ Die Stimme des Glaceverkäufers reisst mich aus meinen Gedanken. Ich bestelle und denke bei mir, dass es vielleicht doch besser ist, wenn alles beim Alten bleibt. Sonst hat man ja gar keine Überraschung mehr, wenn man zur Gelateria läuft.