Es gibt sie noch. Die Menschen, die weder ein Handy noch einen Internetanschluss besitzen. Die keine Ahnung haben, was ein „Like“ oder ein Hashtag ist und wofür Xing gut sein soll. Beziehungsweise, dass Xing überhaupt existiert. Oder Whatsapp.
Ich kenne einen von ihnen. Er nutzt das Internet etwa einmal im Monat, um auf Youtube Musikvideos zu hören. Von den Stones. Oder Chuck Berry. Das macht er aber nicht daheim. Denn er hat zu Hause keinen Internetanschluss. Hätte er einen, würde es ihm „den Ärmel reinziehen“, wie er selbst sagt. Er würde Stunden damit verbraten, sich Videos anzusehen. Er fürchtet sich davor, sich in den unzähligen Verweislinks auf Youtube zu verlieren.
Geniessen, aber nicht zu lange
So lässt er sich lieber ein, zwei oder drei Stunden berieseln, bis er merkt, dass er aufhören muss. Dann reisst er sich los und geht heim. Meistens kocht er dann oder spielt auf seiner Gitarre, um wieder zurück auf den Boden zu kommen. Das braucht er auch. Denn diese Ausflüge in die Tiefen des mächtigen Videoportals sind für ihn sehr gefährlich. Sagt er.
Ich habe ihm das lange nicht geglaubt. Bis ich ihn einmal während einer seiner Youtube-Sessions getroffen habe. Seine Augen strahlten, waren aber gleichzeitig seltsam starr, als wäre er auf einem Drogentrip. Er wirkte nicht wie er selbst, sprach viel schneller als sonst. Er schwärmte von der Musik, sagte, sie transportiere ihn in seine Jugendzeit zurück.
Seine alten Erinnerungen wurden wieder wach, er sah wieder die Mädchen vor sich, für die er damals geschwärmt hatte und fühlte sich, als wäre er wieder 15. Sein Hirn, von Glückshormonen überflutet, versetzte ihn in eine Art Trance. Die Informationsflut, die ihm entgegenfloss, hielt ihn gefangen. Er hat nie gelernt, mit den Reizen des Internets umzugehen. Oder sie zu ignorieren. Als wäre er aus den Fünfzigerjahren in die Zukunft gereist.
Sind wir alle überflutet?
Auch ich bin manchmal gefangen vom Bildschirm meines Handys. Wenn ich es bemerke, schaue ich mich um und sehe dann oft ganz viele Menschen um mich herum, die auch von ihren Handys gefesselt sind. Dann verstehe ich ein bisschen besser, was er meint, wenn er sagt, dass das Internet für ihn gefährlich ist. Es ist für uns alle gefährlich, bis zu einem gewissen Grad. Das Internet ist zu einer Art Droge für die Massen geworden.
Aber pragmatisch betrachtet ist es wie mit Schoggi: Jeden Tag ein bisschen ist kein Problem. Solange wir noch miteinander reden und lachen, Flausen im Kopf haben, füreinander kochen und die Natur geniessen, haben wir nichts zu befürchten.