Zu viel des Guten

Kürzlich bin ich einen modernen Mercedes E500 gefahren. Das war kein Auto. Sondern ein fahrender Computer. Als ich den Motor startete, straffte sich der Gurt automatisch und drückte mich in den Sitz zurück. Einen Schaltknauf gabs keinen. Die Gangschaltung funktionierte automatisch. Genau wie die Scheinwerfer. Fuhr ich in einen Tunnel, leuchteten sie auf. Verliess ich den Tunnel, schalteten sie sich wieder aus.

Das Steuerrad vibrierte, wenn mein Reifen den Fahrstreifen touchierte. Das Auto bremste automatisch ab, sobald ich dem vorderen Wagen zu dicht auffuhr. Wollte ich ihn überholen, warnte mich ein rotes Dreieck im Seitenspiegel, falls gerade kein guter Zeitpunkt war, um nach links auszuscheren. Ignorierte ich das Dreieck, weil es meiner Ansicht nach zu lange leuchtete, erklang ein durchdringender Warnton, der Tote geweckt hätte. Ein ähnlich nerviger Ton erklang, wenn ich im menschenleeren Parkhaus den Gurt bereits gelöst hatte und nur noch kurz meine Position korrigieren wollte.

Ein Union 1000 S, Baujahr 1959. Das war noch ein Auto. Quelle: flickr.com // Georg Sander // CC BY-NC 2.0

Ein Union 1000 S, Baujahr 1959. Das war noch ein Auto. Quelle: flickr.com // Georg Sander // CC BY-NC 2.0

Gute alte Zeiten

Wehmütig denke ich an den guten alten Peugeot 205 zurück, den ich früher ab und zu gefahren bin: Er war handgeschaltet, ohne jeglichen Schnickschnack. Alles funktionierte mechanisch. Selbst die Scheiben musste ich von Hand runterkurbeln.

Aber zugegeben: Das Gefährt war auch sehr alt. Nach einer langen Winternacht brauchte es einige Geduld, um den Motor zu starten. Ohne Choke war da nichts zu machen. Auf der Autobahn musste ich den Motor süferli aufwärmen, damit er auf seine 110 Stundenkilometer kam. Und bei 120 Stundenkilometern hatte ich das sichere Gefühl, das Auto würde bald auseinanderfallen.

Technik ja, aber …

Ich habe nichts gegen moderne und schnelle Autos. Technische Spielereien sind wunderbar, sofern sie mir das Leben erleichtern. Auch ich war schon froh um einen Tempomat, wenn ich auf einem US-Highway 350 Meilen geradeaus fahren musste und den Fuss vom Gaspedal nehmen konnte. Bei 45 Grad Celsius Aussentemperatur habe ich durchaus nichts gegen eine Klimaanlage im Auto einzuwenden. Letztlich kann ich den ganzen technischen Schnickschnack ja auch ausschalten, wenn er mich zu sehr aufregt.

Aber mich stört, wenn ein Auto darauf aufgelegt ist, mir das Denken abzunehmen. So wie bei den sogenannten „connected cars“ der Zukunft. Diese sollen den Handy-Kalender des Fahrers auslesen und ihm mitteilen, ob er es noch rechtzeitig zu seinem Termin schaffen wird oder ob er nicht vielleicht eine Abkürzung nehmen sollte. Selbstverständlich berechnet vom Online-GPS-System, das genau über alle aktuellen Baustellen Bescheid weiss. Oder es erinnert den Fahrer an sein Sporttraining nach der Arbeit und registriert womöglich mithilfe des Gewichtssensors auf dem Rücksitz, dass sich die Sporttasche nicht an ihrem üblichen Platz befindet.

Ich besitze kein Auto. Habe nie eins besessen. Aber wenn ich eins hätte, dann müsste es mindestens 20 Jahre alt sein. Ein bisschen Elektronik ist gut. Aber fahren, schalten und denken möchte ich immer noch selbst.