Pseudo-Verschlüsselung: Die Hintertür zu deiner digitalen Privatsphäre

David Cameron hat es im Januar dieses Jahres als erster Politiker für europäische Ohren öffentlich thematisiert: Es darf keine toten Winkel im Kampf gegen den Terrorismus geben. Konkret darf in Grossbritannien die digitale Kommunikation nicht mehr so gut verschlüsselt werden, dass die Behörden nicht einsehen können. Er fragte damals rhetorisch in einer Rede: „[I]n our country, do we want to allow a means of communication between people which we cannot read?“ Ob er sich bewusst war, wie totalitär seine Forderung ist, kann ich nicht beurteilen. Er forderte damit schliesslich nur das Ende der sicheren Verschlüsselung und damit das Ende des letzten bisschen Privatsphäre, dass uns im Internet geblieben ist. Alles andere ist schon verloren.

Ein rostendes Schlüsselloch in einer Holztür.

Jede Hintertür hat auch einen Schlüssel um sie zu öffnen. Gibt es diesen, dann wird er zum ultimativen Ziel.

Dreiste und gefährliche Forderung
Cameron erntete für seine Aussagen in Expertenkreisen viel Kopfschütteln. Und dies aus zwei Gründen: Erstens verwenden Bösewichte keine Tools, die kompromittiert sind und zweitens würde es bedeuten, dass jegliche Verschlüsselungssoftware für Normalbürger unsicher wird.

Das wissen auch die Sicherheitsbehörden. Sie stellen sich einfach auf den Standpunkt, dass die Sicherheitsbranche schon ein Verfahren erfinden wird, mit dem die Schlüssel zu diesen Hintertüren sicher verwahrt werden können, ohne sie in einem Hochsicherheitstrakt verstecken zu müssen.  Da es diese Zauberlösung nicht gibt, haben 140 Tech-Unternehmen, Spezialisten und zivilgesellschaftliche Organisation einen offenen Brief an Präsident Obama geschrieben. Sie fordern von ihm, auf Hintertüren zu verzichten.

UNO meldet sich zu Wort
Obwohl selbst den Sicherheitsbehörden keine Lösung für das Schlüsselproblem bekannt ist, hat die Diskussion trotzdem Fahrt aufgenommen. In den USA sind sich die Sicherheitsbehörden einig: Wir brauchen das einfach. Die Sicherheit aller US-Amerikaner wäre sonst gefährdet! (Und mit Sicherheit kann man schliesslich alles begründen…).

Die ganze absurde Diskussion hat nun sogar die Uno auf den Plan gerufen. Sie hat vor wenigen Tagen in einem 18 Seiten starken Spezialbericht erklärt, dass Verschlüsselung und Anonymität Eckpfeiler des Rechts auf freie Meinungsäusserung im digitalen Zeitalter sind.

Es geht wahrscheinlich wieder einmal um Geld und Macht
Sind die Sicherheitsbehörden frech oder einfach nur dummdreist? Ich denke weder noch. In Wahrheit geht es ihnen wahrscheinlich eher darum, die Überwachung der Menschheit in den eigenen Händen zu behalten, denn in den USA wird zur Zeit im Parlament der Freedom Act verhandelt. Pikanterweise läuft der darauf hinaus, die Kompetenzen der Sicherheitsbehörden einzuschränken und die Erhebung der Daten teilweise in die Hände der Privatfirmen zu legen. Mit anderen Worten: Die Milliarden-Budgets der Behörden und Zehntausende von Arbeitsplätzen sind in Gefahr.

Tipp: Es lohnt sich, diese Anhörung des „Committee on Oversight & Government Reform anzusehen. Das ist schon nur deshalb faszinierend, weil man miterleben kann, wie die Sicherheitsbehörden versuchen sichere Verschlüsselung, etwa durch Apple, zur Kolaboration mit Gesetzesbrechern hochzustilisieren. Erschreckend ist auch die argumentative Hilflosigkeit der FBI-Vertreterin. Ausserdem erklärt ein Experte, warum Hintertüren gefährlich sind.