Das Schöne am derzeit wütenden Digitalismus ist, dass sich jeder als Experte fühlen darf, der schon ein paar Tweets und Posts abgesondert hat. Und wer seine Weisheiten ganz laut ins Land hinausschreit, der hat auch gute Chancen, von thematisch überforderten Massenmedien emporgejubelt zu werden. So geschehen letzthin beim „Sonntagsblick“ mit einer gewissen Susanne Müller-Zantop (sind diese gekoppelten Doppelnamen eigentlich wieder legal?) in einem Beitrag von Guido Schätti.
„Wer nicht twittert, ist eine Fehlbesetzung!“, lässt sich die Dame fett im Titel zitieren. Wer dann hofft, das Zitat beim Weiterlesen in seinem Kontext irgendwo wiederzufinden, hofft vergebens. Eigentlich hatte sie ja bloss behauptet, dass es heute für einen CEO anspruchsvoller sei, sich medial zu präsentieren und „wer das nicht akzeptieren will, ist eine Fehlbesetzung.“ Daraus hat sich Herr Schätti dann seinen süffigen Twitter-Imperativ zurechtgezimmert. Und wer hofft, der Autor würde sich ein wenig eingehender mit dem auseinandersetzen, was ihm die geschäftstüchtige Kommunikationsberaterin ins offene Öhrchen gepustet hat, der hofft vergebens. Hier ging es dem Autor offensichtlich bloss darum zu provozieren – für den Rest des Jobs fehlte ihm dann doch die Zeit, der Wille, das Wissen, das Handwerk oder sonst was in der Art.
Wie bei den chronisch magersüchtigen Redaktionen von heute üblich, wird die Geschichte ein paar Tage später im Schwesterblatt „Blick am Abend“ wieder aufgekocht. Dort serviert man uns eine belanglose Hitparade der twitternden CEOs in der Schweiz. „Biver ist König unter den Twitter-CEOs“ jubelt es von Seite 6 ganz oben entgegen. Doch was betriebswirtschaftlich so ungeheuer hilfreich sein soll, wenn die ständig überlasteten Leute aus der Teppichetage in sozialen Bierzelten herumlungern, das erfahren wir nicht.
Ja, und eins noch: Herr Biver ist vor drei Jahren in Rente gegangen und steht dem Unternehmen seither als Präsident des Verwaltungsrats vor. Das ist nicht ganz dasselbe wie ein CEO, aber das spielt angesichts der meisterlichen Titelei eh keine grosse Rolle mehr.