Das Internet – als wir noch nicht das Produkt waren

Unzählige Schüler sitzen an Schulbänken und tippen auf Schreibmaschinen. Der Lehrer kontrolliert im Hintergrund.

10-Finger-System? Früher besuchte man einen Schreibmaschinenkurs. Computer gab es nicht. Das sah dann so ähnlich aus.

Vor kurzem war ich unterwegs und wollte kurz mit der App des öffentlichen Verkehrs nachschlagen, wann der nächste Bus kommt. Trotz vollem Empfang konnte ich keine Verbindung mit dem Internet aufnehmen. Erst nach einer geschlagenen Viertelstunde kam ich auf die Idee, nicht mehr am Handy zu fummeln und einfach jemanden zu fragen. An der Kasse fand ich dann eine nette Dame, die mir versuchte Auskunft zu geben. Da sie es auch nicht wusste, schlug ihre Kollegin dann im Kursbuch (ja, das gibt es noch!) nach. Sie und ich, das mussten wir beide zugeben, hatten nur noch wenig Übung im Lesen von Fahrplänen… Sie blätterte so lange leicht ratlos in dem Büchlein rum, bis sich die erste Kollegin auf der Website der staatlichen Verkehrsbetriebe informiert hatte…

Fremdplatzierte Erinnerungen an eine Zeit, die nur offline war
Kursbücher lesen war doch früher kein Problem. Obwohl die Erinnerungen schwinden, kann ich mich noch einigermassen an die Zeit vor dem Internet erinnern – z. B. an die Schulzeit ohne Wikipedia oder an das Leben vor der Nonstop-Informationsversorgung. Doch je weiter sich die Technik entwickelt, desto mehr fühlen sich meine Erinnerungen an, als seien sie, wie im Film Total Recall, in meinem Hirn fremdplatziert worden. Doch sie sind echt und noch da. Aber was nützt mir das Wissen um eine Zeit vor dem Internet und dessen zweifelhaften Effekten?

Scheinbare Kopie des Lebens
Nein, das ist keine rhetorische Frage. Was nützt es mir zu wissen, dass man früher für einen Vortrag einen Berg Bücher zusammentragen musste? Oder was nützt es mir zu wissen, dass es in unserer Kindheit noch keine „soziale Netzwerke“ gab, die einem vorgaukeln, die realen Beziehungen und Interaktionen wiederzuspiegeln? Was nützt es mir zu wissen, dass früher Wertschätzungen nicht mathematisch gemessen und Interessen algorhythmisch abgeschätzt wurden? (vgl. Artikel auf Quartz „What it feels like to be the last generation to remember life before the internet„)

Das Internet vor der Kommerzialisierung
Ehrlich gesagt: Ich weiss nicht, was mir dieses Wissen nützt. Vielleicht finde ich später eine klare Antwort. Was ich aber auf jeden Fall nicht vergessen will: Es gab schon ein Internet vor Facebook, Google, Instagram oder Snapchat. In diesem Internet ging es nicht um das Verdienen von Geld. Und wenn alle diese Plattformen verschwinden, wird es dieses Internet immer noch geben…