
„If you end up on that list, there’s a reason you’re there.“ sagt Commander Steven Caluris vom kalifornischen Polizeidepartement. Und Besuch kriegt man nicht von denen da oben.
Glauben Sie daran, dass sich Menschen ändern können? Wenn nein, dann können Sie diesen Blogpost getrost vergessen und beruhigt weitersurfen. Wenn ja, dann geben Sie doch nach dem Lesen mal „predictive policing“ in die Suchmaschine Ihrer Wahl ein und lesen Sie in aller Gemütlichkeit, was in den nächsten Jahren auf uns zukommt. Es braucht kein besonders geschultes Auge und Gehirn, um sich vorzustellen, welches Marianengraben-artige, dunkle Loch sich vor uns hier öffnet.
Das Big-Data-Orakel ist sich für nichts zu schade
Damit Sie wissen, worüber ich schreibe, hier eine kleine Einführung. Vielleicht kennen Sie den Film „Minority Report“ mit Tom Cruise. Nichts weniger als ein solcher Polizeistaat bahnt sich gerade an. In den USA durchsuchen Server der Polizei das Web und indexieren Millionen von Websites und Social-Media-Präsenzen. Telefonate werden abgehört, analysiert und personenbezogene Bewegungsdaten erhoben. Alles wird gespeichert. Dann verrichten „schlaue“ Algorithmen ihren Dienst anhand von vordefinierten Psychogrammen und vermuteten Verhaltensmustern. Am Ende dieses Prozesses stehen dann Hot-Spots (für mögliche Verbrechen) und sogar sogenannte „heat lists“ von möglichen Verdächtigen für Straftaten, die noch nicht begangen wurden! Die Behörden, die diese Spielzeuge zur Verfügung haben, lassen die möglichen Verdächtigen auch gerne in persönlichen Besuchen wissen, dass man sie im Auge behält.
Der nette Kaffeeplausch mit den Freunden in Uniform
Wir dürfen uns freuen, denn wir wissen ja aus Erfahrung wie gut diese Algorithmen sind, die einem nach dem Buchen eines Hotelzimmer superpraktische Werbung mit weiteren Angeboten im selben Hotel auf den Bilschirm spülen. Und übrigens: Als verantwortlicher Mitmensch wird man von der Polizei auch aufgefordert, sich in den gefährdeten Gegenden aufzuhalten und damit mögliche Straftaten durch seine Präsenz zu verhindern. (Und womöglich alles Verdächtige zu melden.)
Haha!! Schon passiert!
Und wenn Sie denken, so etwas Bescheuertes könne es nur in den USA geben, dann sage ich: „Zu früh gefreut!“ Eine deutsche Software ist (nach einer Testphase) seit Juli 2014 in Zürich im Dauerbetrieb, wie golem.de berichtet.
Update 22.08.2014: Auf meine Anfrage vom 19.08.2014 zu Handen der Stadtpolizeit Zürich, ob die Software PRECOBS (wie im Artikel von golem.de beschrieben) nun dauerhaft verwendet wird, habe ich bis jetzt keine Antwort bekommen. Ich werte das vorerst mal als eine Bestätigung…
Update: 08.10.2014: Nach über einem Monat habe ich eine Antwort auf meine Anfrage bei der Stadtpolizei bekommen:
Sehr geehrter Herr Zirin
Im Auftrag von Herrn Cortesi, Chef Mediendienst, Stadtpolizei Zürich kann ich Ihnen folgende Angaben machen:Die Pilotphase dauerte vom 1.11.13 bis Ende April 14.
Die Übergangsphase dauerte von Mai 14 bis Ende Oktober 14.
Seit dem 1. November 2014 ist das Ganze nun im Dauerbetrieb.Freundliche Grüsse
Judith Hödl
Am gleichen Tag hat SRF über die definitive Einführung berichtet. Da eine ähnliche Anfrage des watson.ch-Redaktors Daniel Schürter einige Tage zuvor auch nicht beantwortet wurde, gab es diesbezüglich offenbar eine mediale Sperrfrist mit exklusiver Zusammenarbeit von SRF. Nebenbei: Ich empfinde im Anbetracht des möglichen Folgen den Vergleich von SRF und Daniel Schürter mit der Wettervorhersage als eine grobe Verharmlosung des Themas.