Ich werde konstant verraten. Sie auch. Von allen digitalen Geräten die am Internet hängen. Das sollten wir uns zuerst eingestehen bevor an eine Lösung zu denken ist.
In hohem Rythmus beglückt uns der in Russland festgesetzte Edward Snowden mit neuen Trouvalien aus dem NSA-Fundus. So wie es immer ist, wenn Nachrichten explosionsartig in der Erdatmosphäre verpuffen, gibt es drei mögliche Reaktionen: Während die erste Gruppe sich schockiert und überrascht zeigt, übt die zwei Gruppe das „hab ich Dir schon lange gesagt“-Gesicht. Nicht zu vergessen gibt es noch die dritte und letzte Gruppe derjenigen, die regungslos (aus Desinteresse, Gleichgültigkeit oder mangels Durchblick – man weiss es nicht genau) dem neuen Grauen entgegenblickt. Obwohl ich selbst der zweiten Gruppe angehöre und mir stetig die passenden Sätze zum erwähnten Gesicht verkneife, muss auch ich zugeben, wird mir zunehmend flau im Magen. Snowdens Veröffentlichungen wirken wie die Taschenlampe beim nächtlichen Waldspaziergang: Erst wenn man sie anschaltet und sie auf den Boden richtet sieht man, dass man nicht nur schmutzige Schuhe hat, sondern knöcheltief im Dreck steckt.
Im Schein des Türspaltes
Irgendwie erinnert der ganze Schlammassel ans Einschlafen während der Kindheit. Während des Tages waren die ganzen schönen Spielzeuge die besten Freunde, die uns viele unbeschwerte Stunden schenkten. Erst in der Nacht, wenn es dunkel wurde und nur noch der Türspalt spärliches Licht bot, fingen wir uns an zu fragen, was denn die Spielzeuge denn machen, wenn wir denn mal einschlafen. Fangen sie an zu sprechen? Sprechen sie über mich oder sind sie sogar gefährlich?
Unablässiger Verrat
Irgendwann ist diese Phase vorbei und wir lernen, dass es nur tote Gegenstände sind – ohne Eigenleben. Im Unterschied zur Kindheit wissen wir es heute als Erwachsene besser: Unsere digitalen Spielzeuge sprechen mit Fremden. Nicht nur in der Nacht. Ununterbrochen während wir uns mit ihnen die Zeit vertreiben. Und entgegen allen Beteuerungen von Geheimdienstlern, Politikern und Wirtschaftsführern zeigen die aus aller Welt zusammengetragenen Erfahrungen, dass das auch gefährlich sein kann. Und illegal ist es in vielen Fällen auch.
Wir verkaufen uns nicht teuer genug
Seltsamerweise, ich kann mir das auch nicht ganz erklären, akzeptieren wir heute eine Überwachung, sei es durch Geheimdienste oder private Unternehmen, nach der sich die Mitarbeiter der Stasi die Finger geleckt hätten. Ist Privatsphäre ein Auslaufmodell? Eigentlich sollte, der ökonomischen Logik entsprechend, Privatsphäre so gefragt sein wie noch nie. Es ist mittlerweile ein so seltenes Gut geworden. Teuer ist es auf jeden Fall.
Und was jetzt? Die Lage ist enorm komplex und eine einfache Lösung nicht in Sicht. Wann immer es schwere Aufgaben zu lösen gibt fängt man am besten auf Feld eins an. Auf Feld eins sollten wir uns zweier Dinge bewusst werden: 1. Auch in der digitalen Welt ist nichts gratis. 2. Alles was technisch möglich ist, wird auch gemacht.
Willkommen auf Feld eins!
Ich finde die Tips für Feld eins gut.
Ausserdem habe ich Vertrauen in die verteilte Intelligenz der Menschen, die auch diese Hürde nehmen wird. In einem Artikel hatte ich vor ca. 10 Jahren vorgeschlagen, jeder könne ja das Szepter auch mal selbst ein wenig in die Hand nehmen und sich ein paar verschiedene Identitäten zutun und selber kontrollieren, mit welcher Identität er/sie sich wie benimmt. Eine andere Hoffnung habe ich darin, dass es sich einspielen wird, dass man zu den Informationen immer die Quelle dazusagen muss. Wenn immer klar ist „Wer sagt das auf welcher Basis?“, wird auch vieles transparenter.
Ausserdem tröstet mich, dass die Auswertung all dieser Infos nicht leichter wird. Wie können die mich erklären, wenn nicht mal ich mich erklären kann? 😉
Hallo Thomas
ja, Eigeninitiative und Transparenz würden uns schon weiterbringen. Nur sehe ich insbesondere im Punkt Eigeninitiative nur eine Krücke, um ersteinmal auf die Beine zu kommen. Ich glaube aber nicht daran, dass es in Zukunft nur von den Usern abhängen kann, ob wir unsere Datenhoheit erlangen. Ist es nicht in erster Linie ein von der Politik herbeigeführtes Problem (durch Tatenlosigkeit), dass auch eine politische Lösung verlangt? Und by the way: Bist Du sicher, dass Google, Amazon usw. Dich nicht besser kennen, als Du Dich selbst? 😉
Ja, die Internetglobalisierung überfordert die Politiker und Staatsgrenzen voll. Aber die User haben Google gross gemacht, sie könnten sie auch wieder klein machen. Z.B. mit Geldverweigerung, Boykott, Zuspammen, Ächten und so.
Amazon und Google kennen zumindest meine Krankengeschichte noch nicht besser als ich, sonst würden mich die Ärzte nicht immer meine Lebensgeschichte abfragen 😉